#Menschen
Dez 19, 2022
Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht
Wer ihren Job ergreifen will, sollte auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahren können, erzählt die 25-Jährige. Oft spielen sich Einsätze anders ab als im Lehrbuch: „Da braucht man schnell einen Plan B.“ Zu Aylins Wachabteilung gehören 21 Personen. Pro Schicht müssen mindestens elf Feuerwehrleute vor Ort sein. Sie ist zuständig für Brandbekämpfung und technische Hilfe, aber auch, wenn es um die Beseitigung von chemischen Stoffen geht. „Wenn ein Produkt austritt, müssen wir es auffangen und beseitigen - so dass keine Gefahr für die Menschen besteht.“ Zuletzt ist etwa Hydrauliköl ausgelaufen: „Dann streuen wir ein Bindemittel - wie bei einer Ölspur nach einem Unfall.“
Einen Brand musste Aylin am Standort Worms noch nicht bekämpfen. Anders als zuvor an ihrer Ausbildungsstätte, der Dillinger Hütte im Saarland: „Es war der gleiche Beruf, aber in einer anderen Branche.“ In der Stahlindustrie ist die Brandgefahr laut Aylin größer. „In der Ausbildung sind wir jeden Tag ausgerückt.“ In Worms bereitet Aylins Team sich jeden Tag auf mögliche Einsätze vor: So trainieren sie etwa, eine Pumpenstrecke aufzubauen oder ein Fahrzeug zu stabilisieren. Derzeit arbeitet ein Kollege Aylin außerdem in ihr künftiges Sachgebiet ein. Sie wird insbesondere für die Schlauchwerkstatt und der Prüfung von Steigleitungen und Drohnen zuständig sein.
Besonders eng ist die Kooperation der Werkfeuerwehr mit zwei weiteren Abteilungen: mit der Arbeitssicherheit, die sich um Brandprävention kümmert, und mit dem Werkschutz, der Straßen absperrt, wenn es zu Zwischenfällen kommt. Nach dem Dienstende schließt sich oft die sogenannte Bereitschaftszeit an. Aylin und ihre Kollegen haben daher Schlafgelegenheiten auf dem Betriebsgelände, Aylin in einem Einzelzimmer.
Aylin ist in ihrer Schicht die einzige Frau im Team. „Ich fühle mich akzeptiert und respektiert“, sagt sie. „Wenn es darum geht, große, schwere Dinge zu tragen, gerate ich vielleicht früher an meine Grenzen als ein ausgewachsener Kerl. Aber dafür kann ich andere Aufgaben übernehmen.“ Mit einer Größe von 1,51 Metern kann Aylin etwa in enge Schächte oder gar in Unfallwracks klettern, in die sonst niemand hineinkäme.
Ihr Wunsch, Feuerwehrfrau zu werden, stand früh fest: Aylin ist jung bei der Freiwilligen Feuerwehr gestartet. „Da habe ich mir gesagt: Warum nicht das Hobby zum Beruf machen?“ Für Aylin auch eine Gelegenheit, es denen zu zeigen, die nicht an sie geglaubt haben. „Von meinen jetzigen Kollegen fühle ich mich unterstützt.“ Das war nicht immer so. „Früher haben mir manche den Job wegen meiner Größe nicht zugetraut.“ Aylin lebt im saarländischen Überherrn dicht an der französischen Grenze. Mit einer Fahrgemeinschaft legt sie die 160 Kilometer bis nach Worms zurück. Ihre freien Tage verbringt Aylin am liebsten mit Casiyana, dem Springpferd, das sie gerade ausbildet.